STIFTL: Auf regierungskritischen Demonstrationen war ich schon oft Repressalien
ausgesetzt. Was aber versteht man unter finanzieller Repression?
Jörg Müller: Finanzrepression oder finanzielle Repression bezeichnet die staatliche Beeinflussung, insbesondere durch die Zentralbank, eine ausufernde und erdrückende Staatsschuldenquote zulasten des Sparvermögens seiner Bürger zurückzuführen. Wenn Staatsverschuldung in Friedenszeiten über Generationen ansteigt und ein Niveau erreicht, das durch Wachstum und Sparen nicht mehr zurückgeführt werden kann, greift die Zentralbank ein und versucht, die Zinsen nach unten zu manipulieren. Finanzrepression spürt der Anleger nicht sofort. Sie ist eher ein langsam wirkendes Gift, weil die Realzinsen über Jahre hinweg negativ sind. Finanzrepression entschuldet den Staat, da er immer weniger Zinsen für seine Schulden bezahlen muss, enteignet dadurch aber die Vermögenden. Repression bewirkt somit eine verdeckte Umverteilung vom Sparer zum Schuldner.
Stiftl: Wie sieht genau die Giftküche des Staates aus?
Müller: Um die Schulden zu senken, werden 1. Zinssätze auf Staatsschulden nach oben beschränkt und möglichst unter die Inflationsrate gedrückt. Dazu kommen neue Steuern und 2. meist Kapitalverkehrskontrollen, um Sparer ans Land zu binden. Da in unsicheren Zeiten
Käufer für Staatsanleihen ausbleiben, werden 3. Banken gebeten, Anleihen des eigenen Staates zu kaufen oder als Reserven zu halten. Eigenkapitalschwache Banken werden 4. in der Krise verstaatlicht, wobei gleichzeitig für andere Banken der Marktzutritt behindert wird. Wer nun gute Rendite erreichen möchte, muss ein Ergebnis erzielen, das Negativzins, Bankgebühren und Kapitalertragsteuer hinter sich lässt. Der Vermögensverlust durch Negativzinsen wird allein für deutsche Sparer auf 40 Mrd. EUR jährlich geschätzt.
Stiftl: Wie lange dauert so etwas? UNd gibt es historische Parallelen?
Müller: Die USA und Großbritannien wendeten finanzielle Repression nach dem Krieg an. US-Schulden in Höhe von116% des Bruttoinlandsproduktes wurden innerhalb von zehn Jahren nahezu halbiert. Bei einer durchschnittlichen Inflationsrate in Höhe von 4,8% lag die reale Rendite bei -0,8%. Das funktioniert heute genauso. Fünfjährige Bundesanleihen rentieren derzeit mit 0,45% jährlich. Bei 1,7% Inflation sinkt die reale Rendite auf -1,25%. Summiert ergeben sich in zehn Jahren inklusive Zinseszins fast 20% realer Vermögensverlust.
Stiftl: Und was mache ich als Unternehmer jetzt mit meinem Vermögen?
Müller: Negative Realzinsen wirken sich preistreibend auf nicht reproduzierbare Güter aus, wie Immobilien oder Gold. Neben Anleihen von erstklassigen Unternehmen gefallen uns zum Kaufkraftschutz Dividendenaktien und internationale Substanzwerte. Das hat bereits in der finanziellen Repression in Großbritannien und den USA gut funktioniert. Produkte mit Mindestverzinsung wie Lebensversicherungen haben aufgrund der Mini-Zinsen nur geringe Chancen auf gute Renditen. Heute ist der Sparer klarer Verlierer.